
Sie liebt die Krimis von Agatha Christie seit sie 14 Jahre alt ist – genauso wie das Theater. Dass beides mal zu ihrem Beruf wird, hätte sie nie gedacht, damals, als sie Mitte der 1990er Jahre zum ersten Mal mit ihren Eltern im Blutenburg-Theater saß. Doch dann war da irgendwann der kleine Aushang an der Eingangstür. Für die Kasse wurde eine Aushilfe gesucht. Melanie Kisslinger, damals noch Schülerin und kurz vor dem Abitur, bewarb sich und wurde genommen. Von da an nahm alles seinen Lauf, auch wenn sie zunächst noch ihr Studium der Anglistik absolvierte und eigentlich Dolmetscherin werden wollte. Mittlerweile ist die heute 40jährige verantwortlich für den kompletten Theaterbetrieb.
Erste Krimi-Bühne Deutschlands
René Siegel-Sorell (1939-2017) gründete im Oktober 1983 das Blutenburg-Theater in der gleichnamigen Straße. Es war die erste Kriminalbühne Deutschlands, ein Nischenprojekt. Erst später folgten mit dem Imperial-Theater in Hamburg und dem Berliner Kriminaltheater weitere. Die Tageszeitung „Die Welt“ bescheinigte dem kleinen Münchner Privattheater einmal, führend im Krimi-Genre zu sein. Wie wahr! Drei Stücke werden jährlich aufgeführt. „Ich versuche darauf zu achten, dass sich Krimis mit Spannung und Krimi-Kömödien die Waage halten“, so Melanie Kisslinger. Das gelingt! Die 95 blau bezogenen Polstersessel sind meist gut besetzt, überwiegend mit Stammpublikum aus Stadt und Umland. An der kleinen Theaterbar gibt es Cocktails, die „Gänsehaut“ oder „Kalte Leiche“ heißen. Wenn die Zuschauer in der Pause daran nippen, ist die große Seitentür zum Vorplatz mit der Litfaßsäule geöffnet. Eine Szenerie, die so liebenswert und heimelig wirkt, dass so mancher Passant entzückt verharrt und lächelt.
Anpacken und machen!
Siegel-Sorell, einst selbst Schauspieler und Regisseur, war ein Theater-Intendant mit Leib und Seele. Er war es, der Melanie Kisslinger als Aushilfe an der Kasse anstellte. Er war es, der schnell ihr Potential, ihren Willen zum Anpacken und ihre Leidenschaft für das Krimi-Theater erkannte. „Er war mein Förderer. Ich habe alles hier gelernt, indem ich es einfach tat“, so Kisslinger. In einem kleinen Theater muss jeder verschiedene Funktionen übernehmen, ganz anders als in einem großen Haus. Die Schauspieler schminken sich selbst, eine Maskenbildnerin gibt es nicht. Melanie Kisslinger kümmert sich nicht nur um die Auswahl der Stücke und das Engagement der Schauspieler, sie fährt auch bei jeder zweiten Vorstellung die Bühnentechnik.
Der Gründer des Blutenburg-Theaters, René Siegel-Sorell, regelte schon lange vor seinem Tod im Jahr 2017 die Nachfolge. Seine Frau, Anne-Beate Engelke, übernahm die Intendanz, kümmert sich aber hauptsächlich um die finanziellen Belange des Theaters. Melanie Kisslinger macht den Rest. Sie führt die Kriminalbühne in Sigel-Sorells Sinne weiter. Immer noch liest sie oft und gerne Krimis „Ich bin eigentlich dauernd auf der Suche“. Auch nach Schauspielern sieht sie sich immer wieder um. „Die Besetzung muss optimal passen. Eine kleine Bühne verzeiht nichts“. Bei Stücken, die nach einigen Jahren in Wiederholung aufgeführt werden, wird eine Neuinszenierung einstudiert, die Rollen werden anders besetzt. Das ist aufwändig, doch der Erfolg gibt dem Blutenburg-Theater recht.

Herzflattern vor der Premiere
Sechs bis sieben Wochen wird ein neues Stück geprobt. Dann ist Premiere. Ob sie dabei immer noch aufgeregt ist? „Sehr“, gesteht Melanie Kisslinger. „Ich bin angespannt, habe Schmetterlinge im Bauch. Ich bin nervös, hoffe, dass sich keiner verspricht, dass alles klappt, der Abend gut läuft und am Ende alle glücklich sind.“ Diese Aufregung legt sich wohl nie, weil sie einfach mit Herz und Seele bei der Sache ist. „Eine Premiere ist immer spannend. Man hofft, dass das, worüber in den Proben gelacht wurde, auch beim Publikum gut ankommt. Das ist aber manchmal gar nicht der Fall. Dann ist eher eine Szene der Knaller, die keiner von uns vorher als humorig auf dem Schirm hatte“.
Spannende Unterhaltung
Das äußerst loyale Stammpublikum half Melanie Kisslinger und dem Team vom Blutenburg-Theater auch über die pandemiebedingte Durststrecke hinweg. „Wir waren so berührt von dem Zuspruch und den Spenden, die wir erhalten haben. Die Zuschauer vermittelten: Ihr seid uns wichtig. Wir wollen, dass ihr bleibt“. Das ist gelungen, auch wenn es für ein kleines Privattheater, dessen Betrieb ganz ohne Subventionen aus öffentlichen Geldern läuft, nie ganz einfach ist. Aber auf das Publikum ist Verlass. Wie auf Melanie Kisslinger und das Blutenburg-Theater auch. An 230 bis 250 Abenden im Jahr ist dort gute Unterhaltung garantiert, oft mit packendem Nervenkitzel, manchmal mit schwarzem Humor, aber immer mit viel Spannung!
Noch 3 Fragen:
Ihr Lieblings-Lokal: Ninh, Alramstr., Sendling. Ein sensationelles Vietnam-Lokal!
Lieblings-Ort: Der Platz vor der Frauenkirche. Dort zu stehen und an den Türmen hochzuschauen, das ist ein Kraftort für mich.
Lebensmotto: Carpe diem. Den Tag nutzen und das Beste daraus zu machen. Und: immer optimistisch bleiben!
INFO: Blutenburg-Theater, Blutenburgstr. 35, 80636 München, (0 89) 12 34 300, www.blutenburg-theater.de
Aktuelles Stück: Falsche Schlange von Alan Ayckbourn (noch bis 28. Mai 2022). Danach die Detektiv-Komödie „Schnüffler, Sex und schöne Frauen“ von Tony Dunham (11.6.-01.10.2022)
Tickets jeweils 20-32 Euro