
Er beherrscht die Hohe Kunst der Fischküche wie kein anderer. Ende der 1980er Jahren eröffnete Werner Hunsinger (74) sein erstes Fischrestaurant mit nur 24 Sitzplätzen in der Hans-Sachs-Straße, einer Gegend, der zur damaligen Zeit nicht der beste Ruf vorauseilte. Nur wenig später wurde „hunsinger“ vom „Gault-Millau“ zu einem der 16 besten Fischlokale des Landes gekürt – und das in München, tief im Süden des Landes und fernab von jeder Küste. Und er fiel schon damals mit Eigensinn auf. Thomas Gottschalk und Günther Jauch, damals noch Jungspunde beim BR, ließ er mit Jeans, T-Shirt und Turnschuhen einfach nicht ins Lokal.
Das Lokal der Stars
Werner Hunsinger wusste schon immer, was er will und was nicht. In seinem Lokal „Bouillabaisse“ im „Hotel An der Oper“ gab sich in den 1990er Jahren die Prominenz die Klinke in die Hand. Schauspieler wie Peter Ustinov, Mario Adorf, Opernstars wie Luciano Pavarotti, José Carreras und Plácido Domingo kamen genauso gerne wie Soraya, die ehemalige Kaiserin von Persien, Film-Diva Maria Schell und Reggae-Star Bob Marley.
“Mit Jean-Paul Belmondo habe ich Tennis gespielt. Der war gar nicht mal so schlecht”
Alle liebten Hunsingers kreative Fischküche und die guten Weine und über alle kann er Anekdoten erzählen. „Die Opernstars probten nachmittags gerne in meiner Garage“, so der gebürtige Südbadener. „Mit Carreras bin ich Motorrad gefahren, die Söhne von Plácido haben bei mir in der Küche Fußball geguckt, bis ich sie rausgeschmissen habe und mit Jean-Paul Belmondo habe ich Tennis gespielt. Der war gar nicht mal so schlecht“, so der Spitzenkoch, der sich auch heute, mit über 70 Jahren, noch mit Radfahren und Tennis fit hält.
Aus Witzigmanns „Aubergine“ machte er einst „Hunsigers Pacific“. Fusion-Küche war damals noch kein Trendbegriff, aber genau das, was der dreifache Familienvater auf die Teller zauberte. Danach war er reif fürs Museum! Ab dem Jahr 2008 pilgerten Münchens Feinschmecker elf Jahre lang zu „hunsinger“ in der Neuen Pinakothek. Mit weitläufigem, minimalistischem Innenbereich, großer Sonnenterrasse und Galerie mit Austernbar war dieses Lokal die erste Adresse für Gourmets in der Maxvorstadt. Passend zur Umgebung brachte Hunsinger seine Kreationen wie das marinierte Thunfisch-Carpaccio mit Ingwer, Pflaumen und Wasabi-Klecksen ähnlich den Kunstwerken impressionistischer Maler auf die Teller.

Neue Adresse für Feinschmecker
Die Renovierung der Neuen Pinakothek machte die Suche nach einem neuen Lokal notwendig. Werner Hunsinger setzte seinen Plan um, über kurz oder lang das Zepter an Sohn Marc (33) abzugeben. Der übernahm im Februar 2020 das Gasthaus „Zur Goldenen Gans“ im Stadtteil Pasing, einem historischen Gasthof in einem 300 Jahre alten, denkmalgeschützten Bauernhaus, dem ehemaligen Hof „Süßengut“. Ein Madonnenrelief ziert die Fassade. Die fünf holzgetäfelten Stuben mit Kasettendecken und antiker Einrichtung tragen Namen wie „Märchenzimmer“, „Porzellanstube“ oder „Bücherklause“. Die Terrasse mit mediterranen Pflanzen in großen Terracotta-Kübeln schmiegt sich in den Hof mit uraltem Baumbestand. Herrschaftlich sitzt man hier, nur zehn Gehminuten vom quirligen Pasinger Bahnhof entfernt.
Werner Hunsinger ist in der „Goldenen Gans“ nur noch Chef in der Küche – das aber in gewohnter, gehobener Qualität. Wie es sich für ein Gasthaus in München gehört, sind jetzt auch traditionelle, bayerische Gerichte wie Ente mit Kartoffelknödel und Preiselbeer-Blaukraut und Rinderroulade in Rotweinsauce auf der Karte zu finden. Vegetarier werden von der kleinen, aber feinen Auswahl mit Serviettenknödel-Carpaccio und Ziegenkäse im Wan-Tan-Teig ebenso begeistert sein.
Hunsinger ist aber nach wie vor einer der besten Fischköche Deutschlands. Seine Kreationen sind von der französischen und asiatischen Küche inspiriert. Ob Petersfisch in Champagner-Schnittlauch-Soße, Fischsuppe oder T-Bone-Steak vom Seeteufel mit Maroni-Ciabatta-Kruste: Hier ist alles ein Geschmackserlebnis, und der Zitronengrasspieß von Seeteufel, Black Tiger-Garnelen und Jakobsmuscheln kommt auf Ingwer-Curry-Sauce mit Duftreis und Pak Choi daher.

Die Hohe Kunst des Kochens
Geboren 1947 im badischen Rheinfelden nahe der Grenze zur Schweiz, ist Werner Hunsinger mit Leidenschaft zum Kochen und zu Fischen aufgewachsen. „Der Onkel nahm mich oft mit an den Rhein zum Fischen“. Im elterlichen Landgasthaus schaute er sich einiges von den Kniffen und Künsten seiner Mutter, einer gelernten Köchin, ab. Hunsinger nennt es „die Faszination Fisch und Wasser“, die ihn ein Leben lang nicht mehr losgelassen hat. Noch heute schöpft er beim Angeln Kraft, am liebsten in der Sempt bei Moosburg. Nur eines hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert: „Heute hoffe ich manchmal fast, dass keiner anbeißt“.
Als junger Mann zog es ihn zunächst in die Schweiz, aber „wann immer möglich, habe ich mich für eine Fischposten gemeldet“. So fand er im Laufe der Jahre für jeden Fisch die optimale Garmethode – und da ist er bis heute nahezu pedantisch. Seinen liebsten, den Petersfisch, erhitzt er nur langsam in französischer Salzbutter. „Ein edler Fisch, den meine Auszubildenden und Jungköche erst in die Hände bekommen, wenn sie ein Jahr bei mir gelernt haben“. Spricht Werner Hunsinger über Fisch, klingt das, wie wenn Gläubige das Vaterunser beten.
Mitte der 1990er Jahre veröffentlichte er sein erstes und einziges Kochbuch und legte sich sogleich mit dem Kreisverwaltungsreferat der Stadt München an. Die Behörde wollte den Verkauf stoppen, weil der Koch darin auf Eis gelagerten Fisch anprangerte. „Dadurch zieht er Wasser und verliert an Aroma“. Im Streit mit dem Amt setzte sich Hunsinger durch. „Die hatten nur Angst, dass sie alle Schulbücher umschreiben müssen“, mutmaßt er. Doch von „Hunsingers Fischküche“ gab es letztendlich nur die erste Auflage mit 7000 Exemplaren. Das Buch ist heute vergriffen, aber bei Kennern heiß begehrt.

Genuss vom Feinsten
Wer aus dem badischen Weinanbaugebiet stammt, hat meist auch ein Händchen für gute Tropfen. Bei Werner Hunsinger ist das jedenfalls so. Seine Weinkarte ist perfekt auf die Speisen abgestimmt und lässt keine Wünsche offen. Auch bei Desserts lässt der Spitzenkoch seiner Kreativität freien Lauf. Die Crème Brûlée wird mit schwarzem Algen-Sesam-Eis serviert. Die Schwarzwälder-Kirsch-Tiramisu ist geeist. Der absolute Knaller ist aber ein französischer Klassiker, das Crêpe Normande, ein Apfel-Crêpe mit Calvados und Vanilleeis. Dazu eine Gewürztraminer Spätlese vom badischen Weingut Landmann in Staufen – ein Gedicht! Bitte mehr davon!
INFO: Hunsinger in der Goldenen Gans, Planegger Str. 31, 81242 München, Tel. 089-837033, www.goldene-gans.com, Mi-So 12-15 und 18-23 Uhr