
„Das große Glück mag kleine Dinge“, so steht es am Fenster des wohl kleinsten Theaters in München geschrieben. Für Theresa Hanich (38), Intendantin, Regisseurin und Schauspielerin zugleich, könnte das sogar ihr Lebensmotto sein.
2014 gründete sie in der Gollierstraße 81 das nur 15 Quadratmeter große „Mathilde Westend“. Es ist Bühne und Zuschauerraum zugleich, bietet in Zeiten abseits der Pandemie Platz für 17 Besucher und maximal drei Schauspieler. Die Bühne ist ein begehbares Fensterbrett, das nach Bedarf um ein oder zwei Podeste erweitert werden kann. Eine Nische unter der Decke lässt sich durch eine Leiter erreichen. Eine Bar gibt es auch, naja, eigentlich ist es eher eine kleine Anrichte, aber es fehlt an nichts. Von außen ist das Mini-Theater eher unscheinbar, ein typischer Altbau-Laden im Westend – charmant eben.
Ein Glücksfall!
Eigentlich war das alles gar nicht als Bühne, sondern als Produktionsbüro für das Künstler-Kollektiv „Stückwerk“ gedacht, dem Theresa Hanich einst angehörte. Kaum hatte sie den Laden angemietet, löste sich die Truppe im Sommer 2014 auf. „Im Nachhinein ein Glücksfall“, so die Schauspielerin. Jetzt musste sie sich was einfallen lassen, und genau da ist sie in ihrem Element. Kreativsein, Neues ausprobieren und dennoch eine familiäre Atmosphäre schaffen, das ist genau ihr Ding. Ein Name für das Theater war auch schnell gefunden. Es sollte nach ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter benannt sein. Mathilde, einst selbst Schauspielerin und von Theresa nicht nur geliebt, sondern auch bewundert, „ein positiver, strahlender Mensch“.
Leidenschaft fürs Theater
Die ist eindeutig vererbt! Die Großmutter trat einst im Residenztheater auf, konnte aber durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges ihrer Passion nicht mehr weiter nachgehen. Theresas Mutter schauspielerte in ihrer Freizeit, und sie selbst begann schon im Alter von fünf Jahren mit kleinen Auftritten. Der Berufswunsch war früh klar. Nach dem Abi studierte sie zwar drei Semester lang Politik-, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte, doch dann lockte die „Neue Münchner Schauspielschule“, eine private Akademie, die sie von 2003 bis 2007 besuchte. Es folgten Theater- und TV-Rollen (Kommissar Pascha, München Mord u. a.). Auch heute steht sie immer mal wieder vor der Kamera.
Absolute Freiheit
Ihr Herz schlägt aber für das „Mathilde Westend“. Hier kann sie sich künstlerisch ausleben. Hier haben ihre Ideen einen Raum. Hier spielt sie entweder alleine oder sucht sich das Team aus anderen Schauspielern selbst aus. Hier ist sie frei. Das „Mathilde Westend“ ist Theresa Hanich. Kostüme, Bühnenbild, Konzeption und sogar der Kartenverkauf: alles wird selbstgemacht, von ihr oder im kleinen Team. Wie bei der derzeitigen Aufführung „Sofia Tolstoja – Ein Leben mit Lew Tolstoj“, ein gelesenes Theaterstück mit Film- und Schauspiel-Einblendungen. Eine experimentelle Inszenierung mit abstrakten Bildern. Die Einrichtung des kleinen Raumes ist der von Tolstojs-Zeiten nachempfunden. Dazu gibt es russischen Tee aus einem Samowar, russisches Gebäck, und da das Stück nicht leicht zu verdauen ist, nachher Wodka, für alle, die einen brauchen.

Starke Frauen
„Die meisten Stücke, die in der deutschen Theaterlandschaft aufgeführt werden, stammen von Männern“, so Theresa Hanich, „mein Focus liegt bei Schriftstellerinnen. Für mein kleines Theater ist das genau der richtige Rote Faden“. Eine starke Frau ist die Intendantin selbst. Mit Freilichtaufführungen, einer Ausstellung oder einem Hörbuchspaziergang im Westpark war sie auch in Pandemie-Zeiten umtriebig und ständig am Entwickeln neuer Ideen. Trotzdem freut sie sich sehr, wenn endlich wieder normaler Betrieb möglich sein wird. Der Reiz an einem kleinen Theater? „Man sieht jeden Zuschauer sehr nahe und sitzt praktisch in einem Boot“. Stimmungen, Atmosphären werden viel intensiver wahrgenommen. „Manchmal deutet man Reaktionen der Zuschauer auch falsch. Schaut jemand grimmig, bekommt man das auf so kleinem Raum sofort mit. Aber da man sich nach der Aufführung unterhalten kann, wird das meist aufgelöst“, so die Künstlerin. „Der Schutz der großen Bühne und damit die Entfernung zum Zuschauer fehlen – aber genau das ist das Schöne am kleinen, feinen Schauspiel.“
Noch drei Fragen:
Ihr Lieblingslokal in München: Das kann ich nicht sagen. Ich mag die Bezeichnung „Lieblingsirgendwas“ nicht. Ich mag das Nachbarlokal, die „Gaststätte Eder“, weil ich mich mit dem Wirt dort gut verstehe, da auch schon mal das Stück „ Gästebeschimpfung“ (Albert Ostermayer) aufgeführt habe und weil es familiär ist, wenn ich dorthin gehe. Ich mag aber auch alles Neue.
Ihr Lieblingsplatz in München (oder besser gesagt, wo sind Sie gerne): Ich mag die Gollierstraße und den Westpark, weil er so viele unterschiedliche, manchmal auch altmodische Ecken hat.
Ihr Lebensmotto: Ich versuche in allem das Positive zu sehen. Gelingt mir nicht immer, aber ich versuche es zumindest.
INFO: Mathilde Westend, Gollierstraße 81, 80339 München, http://mathilde-westend.de